Wolfgang Palme

Wolfgang Palme leitet die Abteilung Gemüsebau an der Höheren Bundeslehr– und Forschungsanstalt für Gartenbau in Wien Schönbrunn und forscht an der Versuchsstation Zinsenhof. Sein Buch „Frisches Gemüse im Winter ernten“ ist im Oktober erschienen.

Im Winter frisches Gemüse ernten klingt energieintensiv. Ist es das?

W. P.: Im herkömmlichen Sinn schon – wenn im Intensivgemüseanbau Ressourcen fürs Heizen verbraucht werden und das Angebot von Importen aus dem Süden bestimmt wird. Für mich heißt saisonal nicht regional, sondern mit möglichst geringem Energieeinsatz kultiviert.

Statt technisch aufzurüsten, ist mein Ansatz, die Pflanze mit ihrem ganzen Potenzial zu nutzen, Low-Energy-Bio-Gemüse sozusagen. Der Winter ist zwar keine Wachstumszeit, aber Erntezeit. Anders als im Sommer kann ich denselben Salatsatz problemlos über Wochen ernten, vorausgesetzt ich kalkuliere die längere Kulturdauer mit ein und beginne im Herbst mit dem Anbau.

Was sind die wichtigsten Aspekte beim Wintergärtnern?

W. P.: Zum einen der Schutz vor unkontrolliertem Niederschlag, etwa durch ungeheizte Gewächshäuser oder Folientunnel. Noch kritischer als die Kälte sind aber Lichtmangel und Luftfeuchtigkeit – tatsächlich verfault im Winter mehr Gemüse als erfriert. Einige Pilzkrankheiten sind sehr kältefest, darum sind eine gute Belüftung und sparsame Bewässerung entscheidend.

Saisonal heißt nicht regional, sondern mit möglichst geringem Energie-Einsatz kultiviert.
Wolfgang Palme

Welche Sorten fühlen sich in der kalten Jahreszeit wohl?

W. P.: Eine ganze Reihe – wir haben bisher 120 Sorten geerntet! Während Fruchtgemüse im Sommer zuhause ist, deckt der Winter den Tisch mit Kohl, Zichorien und Endivien, Wurzel- und Knollengemüse wie Karotten, Topinambur, Rote Rüben und Rettichen, Sellerie und Radieschen, Zwiebelgewächsen, Salaten von Rucola bis Lollo rosso und Eichblattsorten, Kräutern wie Petersilie, Schnittlauch und Kresse. Generell ist unser Gemüse frostfester als wir ihm zutrauen – es hält sich nicht an die Werte in den Lehrbüchern. Dass Chinakohl und Mangold bis zu – 12° C, Vogerlsalat und Kohlgemüse sogar noch tiefere Temperaturen vertragen, steht nirgends.

Und wie wirkt sich die karge Jahreszeit auf das Gemüse aus?

W. P.: Dieses Thema wird in der Forschung leider sehr vernachlässigt. Generell ist Gemüse im Winter weniger geschmacksintensiv, was bei einigen Sorten durchaus ein Vorteil ist – etwa, wenn Rettiche nicht so scharf und Endivien und Zichorien weniger bitter sind. Im Freien stets der Witterung ausgesetztes Gemüse ist bissfester und faseriger. Bundkarotten aus geschützten Räumen sind dagegen sehr zart und schmecken im Winter sogar süßer als im Sommer.

Unser Gemüse ist frostfester, als wir ihm zutrauen. Es hält sich nicht an die Lehrbücher!
Wolfgang Palme

Fotocredits: Fotocredits: ©Johannes Hloch, ©Wolfgang Palme