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INTERVIEW: Warum gibt es heuer weniger Äpfel?

Lisa Vockenhuber
Oktober 10, 2017

Das Ende des Sommers brachte uns die neue Apfelernte. Leider sind heuer erneut Ernteausfälle bei den heimischen Apfelbauern zu beklagen. Das betrifft auch uns und viele Fans unserer Bio-Produkte. Beispielsweise gab es 2017 aufgrund der Frostschäden im Vorjahr zu wenig Ja! Natürlich Apfelsaft. Denn in den Ja! Natürlich Saft kommt ausschließlich österreichisches Bio-Obst von ausgewählten Betrieben und davon gab es 2016 einfach zu wenig.

Grund genug für uns, mit einem Experten über die Situation der österreichischen Bio-Apfelernte. Fritz Prem ist nicht nur selbst seit Jahrzehnten Bio-Obstbauer in der Oststeiermark, sondern langjähriger Experte und Obmann der österreichischen Bio-Obstbauern.

Ja! Natürlich zu Klimaschutz

Wer bio isst, schont das Klima: Verzicht auf energieintensive Düngemittel & Pestizide, Schutz und Pflege gesunder Böden, die CO2 binden, Fokus auf Regionalität und kurze Transportwege, Tierhaltung im ökologischen Kreislauf u.v.m. machen die Bio-Landwirtschaft zur klimaschonendsten Lebens- und Wirtschaftsweise.

Aus österreichischem Bio-Obst

Ja! Natürlich: Was ist der Grund für die geringere Ernte in diesem Jahr?

Es gab heuer in unserer Apfelregion zwischen 21. und 27. April mehrere Frostnächte mit Temperaturen bis zu minus 6 Grad Celsius. Der Entwicklungsstand der Apfelblüten war um diese Zeit gerade Vollblüte/abgehende Blüte und damit in der frostempfindlichsten Phase. Somit ist der Großteil der Blüten abgefroren. Bei jenen Flächen, wo eine Frostschutzberegnung möglich war, sind die Blüten zwar gut aus dem „Eispanzer“ herausgekommen, da aber in der Folgewoche ein total verregnetes und schlechtes Blühwetter war, ist ein Teil der überlebenden Blüten nicht befruchtet worden. Die Folge war ein stärkerer Junifruchtfall – so nennt man es, wenn die unbefruchteten Blüten abfallen.

Ja! Natürlich: Sind davon viele Betriebe in Österreich betroffen?

Wir gehen davon aus, dass fast alle Betriebe in Österreich mehr oder weniger betroffen sind. Auch im Vorjahr gab es starke Ausfälle. Anders als im Vorjahr gibt es 2017 kleinräumige Unterschiede in der Stärke der Frostschäden. Die Unterschiede liegen weniger an Hügel- oder Tallage, sondern eher in der Phase, in der sich die Blüten gerade befanden. Besser davongekommen sind etwas frühere oder spätere Lagen, da dort die Blüten die empfindlichste Phase noch vor oder bereits hinter sich hatten. Da zählten ein paar Tage Unterschied.

Ja! Natürlich: Welche anderen Ursachen kann es für Ernteausfälle geben?

In ganz Europa gab es im April 2017 Blütenfröste. Das Ergebnis ist eine der kleinsten Apfelernten in der EU seit 10 Jahren. Weiters kann es durch lange Trockenperioden und durch vermehrtes Auftreten von „Tropentagen“ im Sommer zu Stresssituationen bei den Bäumen kommen. Die Bäume stellen dann vorübergehend durch zu große Hitze oder Trockenheit ihr Fruchtwachstum im Sommer ein. In jenen Regionen wo der Blütenfrost wenig Schäden verursacht hatte (zB. Altes Land/Hamburg), gab es dieses Jahr außerdem Alternanz.

Was heißt Alternanz?

Alternanz nennt man eine unabhängig von der Wetterlage geringere Ernte als Folge der großen Ernte im Vorjahr. Die Apfelbäume „ruhen“ sich sozusagen nach einer besonders starken Ernte aus.

Ja! Natürlich: Mit welchem Ausfall rechnen Sie selbst für die heurige Ernte?

Wir haben auf unserem Betrieb im letzten Winter in eine Frostberegnung für 4 Hektar investiert. Hier haben wir trotz des doch stärkeren Junifruchtfalls eine Ernte von etwa 70%. Auf allen nicht frostberegneten Flächen haben wir kaum eine Ernte.

Ja! Natürlich: Was sind die Auswirkungen des Frostschadens für Sie als Bauer?

Zum einen fehlt durch den Frost ein erheblicher Teil der Ernte und damit das Einkommen. Als Faustregel gilt: Wenn die Früchte um einen Millimeter kleiner bleiben, so ist das ein Minderertrag von 4% (bei 5 mm sind dies 20%). Wir haben zwar dieses Jahr eine Frostversicherung abgeschlossen, die den gröbsten Ausfall abdeckt, eine Vollversicherung würde aber doch erhebliche Kosten verursachen. Es ist für einen Obstbauern eine riesige Herausforderung, Bäume, die das zweite Jahr keine Äpfel tragen, wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. In solchen Situationen ist die gesamte „Handwerkskunst“ eines Obstbauern erforderlich. Aber auch die reicht nicht immer aus. Kollegen aus anderen Ländern, die in der Vergangenheit Totalfröste bei ihren Bäumen hatten, berichten, dass es trotz allem mehrere Jahre dauert, bis ein Apfelbaum wieder im Gleichgewicht ist.

Ja! Natürlich: Was kann man als Bio-Bauer gegen diese Probleme tun?

Das Gebot der Stunde für Bioobstbauern ist: Wasserrechte sichern und nach Möglichkeit in eine Frostberegnung investieren. Die Frostversicherung ist zwar sinnvoll, aber keine Möglichkeit, um dauerhaft den Markt zu versorgen. Für weitere Möglichkeiten im Frostschutz (zB. Frostkerzen etc) wird es noch eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten brauchen.

Ja! Natürlich: Welche Entwicklungen sehen Sie beim Klima in den letzten Jahren?

Meine Mutter ist demnächst 87 Jahre alt. Sie kann sich nicht erinnern, dass es irgendwann einen so katastrophalen Frost auf unserem Betrieb gegeben hätte – geschweige denn dasselbe Ereignis zwei Jahre hintereinander. Wenn es Frost gab, dann war die Ernte ein wenig geringer – aber das war’s. Es ist nicht nur beim Blütenfrost so, auch alle anderen Klima- und Wetterereignisse wie Hagel, Starkregen, Stürme, größere Hitzeperioden und Trockenphasen sind viel extremer als früher. Diese Phänomene gab es zwar immer in irgendeiner Form, aber nicht so häufig und beim Auftreten nicht so massiv. Ebenso hat die Häufigkeit der Extreme zugenommen.

Über Fritz Prem

Fritz Prem ist selbst Bio-Obstbauer in Kaindorf, langjähriger Experte und Obmann der österreichischen Bio-Obstbauern.

Wir danken für das interessante Gespräch und wünschen eine erfolgreichere Ernte in den kommenden Jahren!

Bild: Maria Prem

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