Wissen

Streifzug durch die heimische Vielfalt

Sarah Krobath
März 1, 2018

Wenn Hummeln geschäftig Blüten besuchen, knackige Erbsen frisch aus den Schoten genascht werden wollen und sich der Duft von Hyazinthen und feuchter Erde verbindet, dann zeigt sich der Frühling in all seiner Vielfalt. Ja! Natürlich leistet mit vielen Pionierprojekten einen aktiven Beitrag zum Schutz der Biodiversität. Wie das aussieht, lässt sich auf einer Reise durch Österreichs Regionen erkunden.

Idyllisch liegt der Hof der Familie Rieder auf einer kleinen Anhöhe im Salzburger Ort Hollersbach. Die umliegenden Wiesen sind schon saftig-grün, durchsetzt vom leuchtenden Gelb des Löwenzahns, der den Beginn des Frühlings markiert. Dahinter die schneebedeckte Spitze des nahen Großvenedigers. Das kleine Holztor am Eingang zu Andrea Rieders Garten knarrt. Es muss wohl auch erst aus dem Winterschlaf erwachen.
„Spätestens im März muss ich einfach raus in den Garten,“ erzählt Bio-Bäuerin Andrea Rieder. „Wenn ich merke, dass die Sonnenstrahlen wieder kräftiger und so richtig schön warm werden, dann kann mich nichts mehr drinnen halten.“ Ein kleiner, ausgetretener Pfad führt zwischen den Beeten durch, hie und da strecken Narzissen ihre weißen und gelben Köpfe der warmen Sonne entgegen. Auf einem Haselnussstrauch in der hintersten Ecke des Gartens zwitschern ein Rotkehlchen und eine Blaumeise um die Wette.

Bio für Biodiversität

Ein biologisch bewirtschafteter Garten ist nicht nur ein Paradies für Vögel und Insekten, sondern ein ganz besonderes Fleckchen Vielfalt. Zwischen den Gemüsereihen wächst eine Vielzahl von Kräutern und Wildblumen. Sie alle bereichern sich gegenseitig im Wachstum und schützen einander vor Krankheiten und Schädlingen. Die Ringelblumen etwa, die man an ihren fülligen, samtig-grünen Blättern erkennt, verbessern den Boden und sorgen für eine bessere Befruchtung, vor allem bei Paradeisern und Paprika.

„Hier hab’ ich schon Erbsen gelegt,“ deutet Andrea Rieder auf eine Reihe, die mit kleinen, zu Bögen verbundenen, Ästen markiert ist. „Die Paradeiserpflanzen hab’ ich auch schon ausgesät, aber die bleiben noch am warmen Fensterbrett, sie dürfen erst nach den Eistagen raus.“ Es sind allesamt traditionelle Sorten in Bio-Qualität, die Andrea Rieder auspflanzt. Denn nur diese sind samenfest, können also selbst vermehrt werden, sind an das regionale Klima angepasst und auch geschmacklich hervorragend. Mit einem Gartensortiment von über 120 Sorten – darunter viele kostbare Raritäten – leistet Ja! Natürlich einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Vielfalt. Denn nur wenn Samen vermehrt und regelmäßig angebaut werden, bleiben sie auch künftigen Generationen erhalten.

Wiederbelebung einer alten Rasse

Durch den Obstgarten hinter dem Garten wandern wir auf eine saftig-grüne Weide. Genüsslich kauen ein paar Rinder an den duftenden Almkräutern. Ihr schokoladenbraunes Fell glänzt in der Sonne, der weiße Sattelfleck strahlt beinahe. Eine Herde von 20 Pinzgauer Rindern war vor einigen Jahren noch ein seltener Anblick. Dabei schätzten die Bauern das Pinzgauer Rind seit jeher als Zwei-Nutzungsrasse mit hervorragender Fleischqualität und ebenso guter Milchleistung und dabei optimal an die schwierigen klimatischen Bedingungen im Hochgebirge angepasst. Doch dann kamen die Hochleistungsrinderrassen, die eine noch höhere Leistung erbrachten. Die Zahl der Pinzgauer Rinder ging so stark zurück, dass sie beinahe vom Aussterben bedroht waren.

Heute grasen auf den steilen Almhängen des Pinzgau wieder größere Herden. Seit 2009 ersteigert Ja! Natürlich jedes Jahr auf dem traditionellen Herbststiermarkt im Salzburger Maishofen einen Zuchtstier, um den Fortbestand der selten gewordenen Rinderrasse zu unterstützen. Den Pinzgauer Rinderzuchtverbänden übergeben haben die stolzen Zuchtstiere mit klingenden Namen wie Ramorat und Ritzl heute wieder mehr als 1.000 Nachkommen.

Die Natur macht sich nützlich

Die nächste Station der Reise führt uns in den burgenländischen Seewinkel. Geschäftig summt und surrt es zwischen den saftig-grünen Rebzeilen von Bio-Winzer Georg Lunzer, ein Schmetterling flattert gemächlich an uns vorbei, in der Ferne hört man einen Traktor. Der Weg zwischen den Rebstöcken ist ein bisschen wie eine Wanderung auf einem Kräuterkissen: unter uns weicher Klee, dazwischen die zarten Kräuterblüten und die ersten blühenden Grashalme, der Duft von Wiesenthymian liegt in der Luft.

Kräuter, aber auch Nützlingspflanzen wie Gelbsenf, Sommerwicke und Esparsette werden im Bio-Weingarten bewusst ausgesät, denn sie stärken das Bodenleben und damit auch die Rebstöcke. Ein genauerer Blick verrät: hier wurlt es auch am Boden: Ameise, Marienkäfer und Tausendfüßer geben sich unter dem gefiederten Blatt der Schafgarbe ein Stelldichein. „Die sind allesamt nützlich“, erklärt Georg Lunzer. „Die Bienen und Hummeln bestäuben fleißig und die Käfer halten die Schädlinge in Schach.“

Wie wichtig Bienen für den Erhalt der Artenvielfalt sind, wusste schon Albert Einstein 1949: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Was er damit sagen wollte, war, dass Bienen für unser Ökosystem elementar sind. Die Bienen brauchen den Nektar der Pflanzen als Nahrung, während die Pflanzen die Bienen als Bestäuber brauchen, um ihre Pollen zu verbreiten und sich so zu vermehren. Ohne Bienen fände keine Bestäubung mehr statt. In Folge gäbe es auch keine Pflanzen, keine Tiere und schließlich auch keine Menschen mehr, denn fast 80 % aller Nutz- und Wildpflanzen werden von der Honigbiene bestäubt. Um die restlichen 20 % kümmern sich Hummeln, Fliegen, Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten. Diese sind aber oft „Spezialisten“, also spezialisiert auf den Nektar oder die Pollen einer bestimmten Pflanzenart – so wie der Osterluzeifalter.

Futter für gefährdete Falter

Am Ende der Rebzeile angekommen, deutet Georg Lunzer auf ein paar relativ hohe, blühende Pflanzen. Die schwefelgelben Blüten haben eine bizarre Form. „Das sind unsere Osterluzeien. Die wachsen hier im Weingarten besonders gut, weil sie’s gerne warm und sonnig haben. Wenn wir Glück haben, kommt auch ein Schmetterling vorbei.“

Seit 2010 pflanzt Ja! Natürlich gemeinsam mit Bio-Winzer Georg Lunzer die selten gewordenen Blumen wieder aus. Sie sind die einzige Nahrung für die Raupen des vom Aussterben bedrohten Osterluzeifalters. So ist das mit der Biodiversität: es mag den Anschein haben, dass eine Pflanzen- oder Schmetterlingsart weniger kein großer Verlust sei. Im natürlichen Ökosystem hat aber jedes Lebewesen eine Rolle. Verschwindet eine Pflanze, dann sterben auch alle Insekten und Tiere aus, deren Futter sie war.

Der Osterluzeifalter hat Glück gehabt. Im Bio-Weingarten findet er wieder Nahrung für seine Raupen und flattert auch weiterhin frisch-fröhlich zwischen den Rebzeilen des östlichen Seewinkels.

(Text: Daniela Wiebogen)

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