Woher, glauben Sie, stammt die Kiwi?­

Jedenfalls nicht aus Neuseeland, sondern aus Asien, vermutlich dem Nordosten Chinas, auch in Japan und Korea ist sie verbreitet. Der Erfolg dieser erst seit einem halben Jahrhundert im großen Stil kultivierten Frucht ist ein Lehrbeispiel in Sachen Marketing. Dass am anderen Ende der Welt gewachsene Früchte unreif geerntet und um die halbe Welt geschippert werden, um dann hier als exotische Delikatesse zu gelten, das muss man erst einmal schaffen. Dabei wachsen die Früchte genauso gut in Südeuropa. Von dort kommen sie seit den Achtzigerjahren von Herbst bis Frühling in unsere Geschäfte, überwiegend aus Italien. Im Frühling und Sommer dann nach wie vor aus Neuseeland.

FG Exoten Strecke Mini Kiwis 2022
© Stefan Knittel
FG Exoten Strecke Mini Kiwis 2022
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FG Exoten Strecke Mini Kiwis 2022
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Plantage zur schönen Aussicht

Szenenwechsel an einen Ort mit ähnlich spektakulärer Landschaft wie Down Under: in die Südoststeiermark auf den Harrachberg. An einem Septembermorgen, früh um halb sieben, fällt es schwer, sich auf die erntereifen Mini-Kiwis, kleine Vertreterinnen aus der großen Familie der Kiwis, eigentlich Chinesische Stachelbeeren, zu -konzentrieren. Das liegt weder an der Uhrzeit noch an der zugegeben kleinen Größe der Früchte oder deren braun-grün-rötlicher Tarnfarbe, sondern am Sonnenaufgang.
Der 53-jährige Quereinsteiger Günter Semikin steht auf seinem Landgut am steil abfallenden Ostfeld, deutet hinüber Richtung Riegersburg und sagt dann ein paar Minuten lang gar nichts mehr. Wozu auch, die Landschaft strahlt in gedeckten Regenbogenfarben. Ganz weit hinten die Morgenröte in zig Orangetönen, die Sonne wölbt sich erstaunlich schnell heraus, davor liegen die Hügel in bläulich-violettem Dunst. Zum Greifen nahe stehen Semikins Bio-Mini-Kiwi-Plantagen, insgesamt 1,5 Hektar, mit ihrem überschwänglich üppigen Blattwerk.

Frosthart, süß und aromatisch

Wie aber kam eine uralte asiatische Frucht via Neuseeland überhaupt nach Mitteleuropa?

Es handelt sich um die größere Familie der Strahlengriffel mit über 40 Arten. Darunter die bekannten großfruchtigen Kiwis, denen es nördlich der Alpen zu kalt ist, aber südlich davon, eben in Italien oder Griechenland, gedeihen sie genauso gut wie z. B. Pfirsiche. Und dann gibt es kleinere Arten, die bis zu minus 30 °C frosthart sind, dabei aber süßer und aromatischer als ihre großen Verwandten. Weil Size matters, also Größe in einer visuell orientierten Welt als Qualitätsmerkmal gilt, wurden zuerst die großen Kiwis angebaut, Neuseeland war ganz vorne dabei. Wegen deren Ähnlichkeit mit dem neuseeländischen Nationalvogel bezeichnete man die damals völlig unbekannte Frucht als Kiwi. Die kleine Mini-Kiwi, auch Kiwai oder eigentlich am besten als Kiwibeere bezeichnet, wurde lang übersehen.

In Osteuropa, z. B. in Polen oder der Ukraine, aber auch in Bayern, Frankreich, Holland und der Schweiz wird jedoch schon vielversprechend angebaut. Eine besonders neuseeländisch klingende Sorte, die Weiki, kommt sogar aus Bayern. Sie ist nach ihrem Züchtungsort Weihenstephan benannt. Und sie ist auch die Hauptsorte von Quereinsteiger Günter Semikin hier am Harrachberg. Er baut sie seit 2010 nach den Richtlinien der biologischen Landwirtschaft für Ja! Natürlich an. Die Sorte trägt gut, schaut mit ihren teils roten Bäckchen sehr hübsch aus (wie längliche Mini-Apferln) und schmeckt schön aromatisch.

© Stefan Knittel

Wüchsig und durstig, aber sonst unkompliziert

Günter Semikin wollte etwas anbauen, „was es sonst nirgendwo gibt“, und kam so auf die Kiwibeere. Seine Sorte Weiki hat nach drei Jahren zum ersten Mal getragen, jetzt ist sie ausgewachsen und liefert pro Pflanze bis zu 20 kg Ertrag, und das bis zu 40 Jahre lang. Semikin muss aber ganz schön dahinter sein bei der Pflege, denn Kiwis sind Urwaldpflanzen – die Lianen wurden in Asien traditionell sogar für den Bau von Hängebrücken verwendet – und wachsen pro Saison meterweit. „Im Winter habe ich sie komplett zusammengeschnitten, sonst kommst im Sommer nicht mehr durch“, erzählt er zwischen den durch ihr üppiges Laub gut beschatteten Reihen. Die Pflanzen mögen die lockeren, humusreichen Böden, und weil sie sehr durstig sind, eignen sie sich für den niederschlagsreichen Standort perfekt. Kunstdünger und chemisch- mineralische Pflanzenschutzmittel sind in der Bio-Landwirtschaft sowieso nicht erlaubt, den Mini-Kiwis würden sie sogar schaden.

Worum, außer um den Schnitt, muss Semikin sich also noch kümmern?
Es gibt weibliche und männliche Pflanzen, die Bestäubung erfolgt über Insekten, ich gebe jedes Jahr zusätzlich Hummeln dazu. Mit Hagelnetzen versuche ich dann die Frucht zu schützen. Denn der Hagel kommt hundertprozentig fünf- bis zehnmal pro Sommer. Und ich mulche drei- bis viermal pro Jahr (d. h. der Grünschnitt bleibt zum Schutz und als Dünger auf dem Boden), aber es gibt weder Krankheiten noch Schädlinge. Nicht einmal Insekten, denen ist die Schale zu hart.“

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Vom richtigen Erntezeitpunkt

Woran erkennt er dann die richtige Reife? „Von Mitte September bis Mitte Oktober wird geerntet. Die Mini-Kiwis reifen nach, das Herunternehmen von nur weichen Früchten wäre unternehmerisch nicht rational“, erklärt der innovative Bio-Bauer. Sein Team schneidet dafür ganze Rispen in Kisten, erst dann werden die einzelnen Früchte, ohne sie zu beschädigen, knapp am Stiel abgeschnitten. Dazwischen überprüft Semikin die eine oder andere zerdrückte Frucht mittels Refraktometer auf ihren Zuckergehalt, ein weiteres Kriterium für den richtigen Erntezeitpunkt. Das Laub färbt jetzt schon gelb um, die roten Bäckchen auf den kleinen grünen Früchtchen leuchten verheißungsvoll. Aber nicht von der Farbe täuschen lassen, eine Bio-Kiwibeere ist dann genussreif, wenn sie auf Fingerdruck nicht mehr ganz fest ist, sondern ein ganz kleines bisschen nachgibt. Dann kann sie im Ganzen gegessen werden. Das kostet beim ersten Mal Überwindung, weil wir ja die pelzige, faserige Schale der großen Kiwis gewöhnt sind, aber die von den Mini-Kiwis ist zart, dünner als von Stachelbeeren, und glatt. Der Geschmack erinnert tatsächlich an Stachelbeeren und Kiwis, saftig, aber süßer, aromatisch und mild zugleich. Kaum zu glauben, dass diese kleinen Früchtchen noch dazu so reich an wertvollen Inhaltsstoffen sind, Vitamin C enthalten sie z. B. mehr als ihre großen Cousinen. Kein Wunder also, dass die kleinen Kiwis groß im Kommen sind.

Mini-Kiwis in der Küche

© Stefan Knittel

Einkauf, Lagerung & Haltbarkeit

  • In der Kartonbox im Kühlschrank lagern, so sind sie je nach Festigkeit bis zu einer Woche haltbar.
  • Essreife Mini-Kiwis fühlen sich auf Druck nicht hart an, sondern geben ein kleines bisschen nach.
  • Sie reifen aber nach, d. h. selbst beim Kauf feste Mini-Kiwis erreichen das gewünschte Stadium innerhalb weniger Tage.
  • Richtig weich sollen die Beeren aber nicht werden, dann baut das Aroma ab.

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Geschmack und Verwendung

  • Mini-Kiwis können wie Stachel- oder Heidelbeeren roh mit der dünnen, glatten Schale gegessen werden.
  • Sie eignen sich perfekt als Naschbeeren, auch für die Jause oder unterwegs.
  • Mini-Kiwis schmecken ähnlich saftig wie Kiwis, aber süßer als ihre größeren, pelzigen Verwandten. Und sie enthalten mehr Aromastoffe. Kinder mögen Kiwibeeren daher meist lieber.
  • Sie passen wunderbar in Fruchtsalate, aber Vorsicht bei der Kombination mit Milchprodukten: ähnlich wie mit Ananas entstehen bei Kiwis aufgrund spezieller Enzyme unangenehme Bitterstoffe beim Kontakt mit dem Eiweiß von Milchprodukten. Das kann man durch Erhitzen der Mini-Kiwis – oder Vermeiden der Kombination – verhindern.
  • Mini-Kiwis eignen sich auch gut für Püree, Sauce oder Marmelade.

Fotos Reportage (c) Stefan Knittel.