An einem Montag im Oktober stehen wir in Wallern im Burgenland vor der riesigen Produktionshalle von Erwin Unger, in der er im Winter Millionen Blumen und Bio-Jungpflanzen zieht, und schauen in den Himmel. 2020 war kein gutes Jahr. Schon seit über einer Woche will der Bauer den Reis einbringen. Aber es reißt auch heute nicht auf. Der Nebel hängt über dem Seewinkel, damit kann die Feuchtigkeit auf den Reisfeldern nicht abtrocknen. Folglich kann Erwin Unger nicht ernten. Wir fahren enttäuscht wieder heim. Am Donnerstag rücken wir erneut aus. Um 13 Uhr erbarmt sich die Sonne endlich und gibt der schon reichlich angespannten Truppe die Erlaubnis zur Reisernte 2020. Es ist mit 50 Prozent Ernteausfall eine der schwierigsten in dem Jahrzehnt, in dem Unger manchmal mit dem Bio-Reis kämpfte und manchmal unerwartet große Ernten einfuhr, so wie 2019. Die Reisfelder liegen nahe St. Andrä am Zicksee. Der Himmel wirkt wie frisch durchgeputzt, die niedrigen gelbbraunen Reisähren leuchten wie Gold. Ganz anders als die Bilder, die man vom Nassreisanbau in China, Indonesien oder Thailand kennt. Hier ist auch alles anders, in mancher Hinsicht besser als in der Urheimat des Reises.
Traditionell, aber problematisch
Reis ernährt die Hälfte der Weltbevölkerung. Seit über 10.000 Jahren wird er angebaut, zuerst wahrscheinlich im Süden Chinas, dann im gesamten asiatischen Raum. Tausende Sorten sind bekannt, die meisten werden heute im Nassanbau kultiviert. Seit einigen Jahrhunderten auch in Europa, in der italienischen Po-Ebene im großen Stil und in Spanien. Auch in Ungarn, Rumänien und im Schweizer Tessin gibt es kleine Flächen. Der Nassanbau hat viele Vorteile: Im anaeroben Milieu (also ohne Sauerstoff) gedeiht kein Unkraut, und Wasser macht Schädlingen das Leben schwer. Aber: Es werden auch Unmengen Methan gebildet, das neben CO2 schädlichste Treibhausgas. Und aus gedüngten und gefluteten Böden kann der Reis besonders viel vom giftigen Arsen aufnehmen. Das hat das als gesund geltende Grundnahrungsmittel, vor allem in seiner Vollkornversion, in jüngster Zeit in Verruf gebracht.
Wissenswertes rund um die Exoten
So viel Arbeit für so kleine Körner
Schon als der Neusiedler See vor 150 Jahren das letzte Mal ausgetrocknet war, wurde am Seeboden versuchsweise Reis angebaut, im Zweiten Weltkrieg gab es am Ufer einen neuen Anlauf. Es hat einen dickschädlerten Pionier und Pflanzenzuchtexperten wie Unger gebraucht, der den langen Atem, das Know-how und die Unterstützung der Bio-Marke Ja! Natürlich hatte, um Reisanbau auch hierzulande zu etablieren. Roten, schwarzen und weißen Bio-Reis baut er an, das Saatgut kam ursprünglich aus Indien, China und dem Tessin, mittlerweile arbeitet er mit eigenen Selektionen, weil das beim Reis leicht und schnell ginge, sagt er: „Aus einer Pflanze kann in drei Jahren Saatgut für einen Hektar Reis werden.“ Worauf er beim Selektieren achtet? „Auf größere Rispen, eine kürzere Kulturzeit und größere Körner.“
Unterschiede der Reissorten
Den roten und schwarzen Reis zieht er aus Reiskörnern ab März selbst, Anfang Mai kommen die Jungpflanzen aufs Feld. 2020 hat ein Sandsturm die zarten Pflänzchen vom roten Reis komplett vernichtet, – bitter, aber „nächstes Jahr wird es wieder anders sein“ – Unger hat über Jahrzehnte gelernt, dass es nichts bringt, gegen die Natur zu arbeiten. Der durch und durch schwarze Reis, sein Liebling, ist zwar gut angewachsen, aber es gab zu viel Niederschlag während der Blüte, er wird heuer nur ein Drittel von der erwarteten Menge ernten können. Pro Reispflanze wachsen zehn Rispen mit je ca. 70 vollen Körnern. Wir rechnen gemeinsam nach und kommen auf ca. 122 Pflanzen, die für 1 Kilo essfertigen Reis nötig sind. Der weiße Bio-Reis hat eine Sonderstellung, weil er direkt am Feld gesät wurde, volles Risiko, aber auch im besten Fall viel weniger Arbeit.
Runde mit der Erntemaschine
Unger nimmt uns auf dem kleinen chinesischen Reisernter für eine Runde mit. Der frisst sich zackig wie Pac-Man durchs Reisfeld. Die Fasane und Hasen am Feldrand lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen, ihnen schmeckt der Reis leider auch. Alle paar Reihen werden die gedroschenen Körner in Big Bags auf einem Anhänger umgefüllt. Dazwischen wird händisch nachgeerntet, was der Drescher nicht erwischt hat. Zu kostbar und arbeitsintensiv ist der Anbau der „zierlichen Fee“, wie Unger sein Liebkind Reis bezeichnet.
Besondere Fee
Im Kulturverlauf muss, weil der Reis hier ja trocken angebaut wird, häufig bewässert werden, denn durstig ist die Fee in jedem Fall. Und weil das Unkraut über der Erde weit mehr Überlebenschancen als unter Wasser hat, muss man seiner anders Herr werden. Im Bio-Anbau sind keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel ** erlaubt. Daher machen Unger und seine Leute das zeitgemäß mit einer GPS-gesteuerten Harke mit Kamera, aber auch mehrmals im Sommer händisch. Das dauert Wochen. Aber das ist auch eine zentrale Motivation hinter Ungers Reisanbau: „Nur so kann ich die Leute ganzjährig im Betrieb beschäftigen. Man muss einen Betrieb immer im Ganzen denken.“
Spelzen, sortieren, polieren
Zurück in den Folienhäusern wird der frisch gedroschene Reis auf Planen ausgebreitet und muss etwa vier Tage trocknen. Erst dann kann er entspelzt, also geschält werden. Mehrere von Ungers Leuten bewegen den Reis fast ständig mit Rechen. Besonders bemerkenswert: der Duft! Unglaublich, was roher Reis, noch in seinen schützenden Spelzen, für einen blumigen Duft verströmt. Ein paar Tage später sind wir noch einmal dabei, als der getrocknete Reis in die südkoreanische Reismühle befördert wird. Vier Leute haben ordentlich zu tun, um das Gerät zu bändigen.
Abgepackt und abgefüllt
Zuerst wird der Reis von Stroh und Steinchen befreit, dann unter ständigem Feintuning von seinen harten Spelzen. Heraus kommt Natur- oder Vollkornreis, aus 3 kg Rohreis ca. 1 kg. Eine der beiden weißen Reissorten, die Unger anbaut, wird in derselben Maschine noch poliert, sprich, das Silberhäutchen in einer mit Kokosfasern ausgekleideten Trommel abgerieben. Der Reis der Ernte 2020 wartet in Papiersäcken zu 25 kg auf den Transport zum Abpacker, der die Körner noch einmal mit modernstem Gerät sortiert und verkaufsfertig für Ja! Natürlich abfüllt. Dass österreichischer Bio-Reis im Supermarkt erhältlich ist, fühlt sich immer noch wie ein Wunder an.
Bio-Reis in der Küche
Lagerung & Haltbarkeit
- Seewinkler Bio-Reis ist genauso gut haltbar wie seine Verwandten aus Italien oder Asien. Vollkornreis kann (meist auch erst Monate nach Ablauf des MHD) ranzig werden. Immer riechen vor dem Zubereiten!
- Motten lieben Bio-Reis, daher am besten in Vorratsgläser umfüllen! So hält Reis viele Monate. (Verpackung wegen der Zubereitungs-Infos aufheben.)
Geschmack & Verwendung
- Der polierte weiße Seewinkler Bio-Reis ist locker-körnig und hat eine besonders kurze Kochzeit. Hervorragend z. B. für Risipisi oder Risotto.
- Der Bio-Vollkornreis aus dem Seewinkel gelingt am besten, wenn man ihn am Vorabend in der doppelten Menge kaltem Wasser einweicht. Vollkornreis kocht länger als polierter Reis. Er schmeckt nussig und eignet sich gut als Beilage.
- Der schwarze Vollkornreis hat schon beim Kochen einen sensationellen, fast fruchtigen Duft. Er sollte im Mittelpunkt einer Speise stehen, z. B. als Pilaw mit Bio-Fleisch, Ingwer und gerösteten Cashewkernen oder mit Mandeln und Trockenfrüchten.
TIPP
Jeden Reis vor dem Zubereiten mit kaltem Wasser in einer Schüssel oder einem Sieb waschen, um Staub und überschüssige Stärke zu entfernen. Nur wenn man Risotto (aus poliertem weißen Reis) zubereiten will, lässt man diesen Schritt weg.